Das EPG - ein Überblick

Die wichtigsten durch das EPGÜ (Übereinkommen über das EPG) eingeführten Änderungen sind:

  1. Die Einführung eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung (EP-UE), das innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des Patents beim EPA beantragt werden kann.
  2. Die Schaffung eines neuen Gerichts, des EPG, das im Gebiet des EPGÜ für Verletzungsklagen und Klagen auf Nichtigerklärung sowie Widerklagen in Bezug auf EP-UEs, aber auch in Bezug auf klassische EP-Patente zuständig ist, sofern diese nicht „ausoptiert“ werden, also von der ausschließlichen Zuständigkeit des EPG ausgenommen werden.
  • Was genau ist das EPG und was macht es so besonders?
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    Das EPG ist ein gemeinsames internationales Gericht der teilnehmenden Mitgliedstaaten (derzeit AT, BE, BG, DE, DK, EE, FI, FR, IT, LT, LV, LU, MT, NL, PT, SE, SI – eine Erweiterung auf weitere EU-Mitgliedstaaten ist möglich, siehe unten). Es ist nicht ausschließlich für alle klassischen europäischen Patente und ausschließlich für EP-UEs zuständig. Nach einem Übergangszeitraum von mindestens sieben Jahren wird es die ausschließliche Zuständigkeit auch für klassische europäische Patente haben. Während des Übergangszeitraums können Patentinhaber ihre Patente von der Zuständigkeit des EPG für klassische europäische Patente ausnehmen. Eine Entscheidung des EPG ist in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten wirksam, in denen das betreffende EP-UE oder das klassische europäische Patent in Kraft ist.

  • Worauf ist zu achten?
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    Neben dem klassischen EP-Patent wird es in den EPGÜ-Mitgliedstaaten ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung (EP-UE) geben. Nach der Erteilung dienen klassische EP-Patente als eigenständige nationale Rechte in den Ländern, in denen die erforderlichen Schritte zur Validierung vorgenommen wurden (z.B. ähnlich wie bei einem auseinanderfallenden Bündel). Im Gegensatz dazu handelt es sich beim EP-UE um ein einheitliches Schutzrecht, das nur im gesamten von ihm umfassten Gebiet und nur vor dem EPG durchgesetzt werden kann. Ebenso kann das EP-UE nur in seiner Gesamtheit aufgegeben oder widerrufen werden. Derzeit erstreckt sich das Gebiet eines EP-UE auf 17 EU-Mitgliedstaaten, d.h. AT, BE, BG, DE, DK, EE, FI, FR, IT, LT, LU, LV, MT, NL, PT, SE und SI. Als Folge des Brexit nimmt das Vereinigte Königreich nicht am EPG-System teil, da es kein EU-Mitgliedstaat ist. Andere EU-Mitgliedstaaten wie ES, HU, PL usw. haben beschlossen, dem EPGÜ vorerst nicht beizutreten.

    Vor dem Inkrafttreten des EPGÜ konnten die Inhaber von europäischen Patenten in einer dreimonatigen „Sunrise“-Periode (März bis Mai 2023) ihren Ausstieg („Opt-out“) aus der Zuständigkeit des EPG erklären. Dies ist besonders wichtig, weil das EPG standardmäßig für alle bestehenden EP-Patente im Gebiet der EPGÜ-Mitgliedstaaten zuständig ist. Nationale Patente, die von nationalen Patentämtern erteilt wurden, waren davon nicht betroffen.

  • Wie können sich EP-Anmelder und -Inhaber vorbereiten?
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    1. Es ist eine strategische Entscheidung zu treffen, ob und in welchem Umfang die EP-UEs und das neue Gerichtssystem genutzt werden sollen. Die Beantragung eines EP-UE hat erhebliche Kostenvorteile gegenüber klassischen EP-Patenten, wenn nach Erteilung einer EP-Anmeldung Schutz für eine größere Anzahl von EPÜ-Staaten begehrt wird. Dieser Kostenvorteil muss gegen mögliche Risiken abgewogen werden, die sich daraus ergeben, dass wertvolle Schutzrechte einem neuen Gericht unterstellt werden, das erstmals nach einer speziell für das EPG neu ausgearbeiteten Verfahrensordnung tätig wird.
    2. Wenn der Patentinhaber nicht möchte, dass ein bestimmtes europäisches Patent einem zentralen und weitreichenden Nichtigkeitsangriff vor dem EPG ausgesetzt wird, ist es wichtig, dieses Patent aktiv aus der Zuständigkeit des EPG auszunehmen (d.h. den „Opt-out“ zu erklären), bevor das Patent in ein Verfahren vor dem EPG involviert wird. Durch einen Opt-out sind nur nationale Gerichte für das relevante europäische Patent zuständig, was dem derzeitigen Prozesssystem in Europa entspricht. Um das Risiko eines zentralen Widerrufs zu vermeiden, empfehlen wir, die bestehenden Portfolios von EP-Patenten zu überprüfen, um für jedes einzelne Patent zu entscheiden, ob es von der ausschließlichen Zuständigkeit des EPG ausgenommen werden soll oder nicht.

Was sind die wichtigsten Änderungen für...

  • … einen Patentinhaber mit bestehenden europäischen Patenten
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    Das EPG ist für die Durchsetzung und auch für die Nichtigerklärung von europäischen Patenten mit Wirkung für alle teilnehmenden Mitgliedstaaten zuständig (siehe "In welchen Staaten wird das EP-UE Wirkung haben?"). Dies gilt für alle europäischen Patente, auch für solche, die schon vor Jahren erteilt wurden und noch in Kraft sind.

    Ein Patentinhaber kann das Risiko vermeiden, dass alle nationalen Teile seines europäischen Patents in den teilnehmenden Mitgliedstaaten mit einem Schlag für nichtig erklärt werden. Das EPGÜ ermöglicht es dem Patentinhaber, sich der Zuständigkeit des EPG zu entziehen. Um wirksam zu sein, muss ein solcher Opt-out jedoch registriert werden, bevor eine Klage auf Nichtigerklärung oder eine andere Klage gegen das Patent eingereicht wird. Ein Patentinhaber, der befürchtet, dass ein Wettbewerber versuchen könnte, sein(e) Patent(e) für nichtig zu erklären, sollte daher rechtzeitig vor Inkrafttreten des EPGÜ mit den Vorbereitungen für einen Opt-out für alle oder einige seiner bestehenden europäischen Patente beginnen, um sicherzustellen, dass der Opt-out registriert wird, bevor eine Klage auf Nichtigerklärung eingereicht wird.

    Der Patentinhaber kann den Opt-out zurücknehmen (d.h. sich wieder der ausschließlichen Zuständigkeit des EPG unterwerfen), wenn er später in einem EPG-Verletzungsverfahren von der zentralen Durchsetzung Gebrauch machen möchte, sofern zu diesem Zeitpunkt kein nationales Verfahren anhängig ist.

  • … einen Anmelder, dessen europäisches Patent kurz vor der Erteilung steht
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    Wird ein europäisches Patent nach (oder innerhalb eines Monats vor) dem Inkrafttreten des EPGÜ erteilt, d.h. im Mai 2023 oder später, kann der Patentinhaber innerhalb eines Monats ab dem Tag der Bekanntmachung der Hinweises auf die Erteilung entscheiden, ob das Patent in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten einheitliche Wirkung haben soll  (siehe "In welchen Staaten wird das EP-UE Wirkung haben?"). Nach Ablauf dieser kurzen Frist kann die einheitliche Wirkung nicht mehr erlangt werden. Außerdem muss zusammen mit dem Antrag eine Übersetzung des gesamten Patents (Ansprüche, Beschreibung und ggf. Zeichnungen) in eine Amtssprache eines EU-Mitgliedstaats eingereicht werden. Anmelder europäischer Patente sollten daher rechtzeitig vor der Erteilung prüfen, ob eine einheitliche Wirkung unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten wünschenswert ist und sollten gegebenenfalls die erforderlichen Vorkehrungen treffen.

    Seit dem 1. Januar 2023 akzeptiert das EPA Anträge auf einheitliche Wirkung, die vor dem Inkrafttreten des EPGÜ gestellt wurden. Solche frühen Anträge auf einheitliche Wirkung können nur für europäische Patentanmeldungen gestellt werden, für die eine Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ erlassen wurde.

    Regel 71(3) EPÜ:
    https://www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/epc/2020/e/r71.html

    Beschluss des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 11. November 2022 über die bevorstehende Einführung des einheitlichen Patents und die Möglichkeit, in Erwiderung auf die Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ eine Verschiebung der Entscheidung über die Erteilung des europäischen Patents zu beantragen:
    https://www.epo.org/law-practice/legal-texts/official-journal/2022/11/a102.html

    Seit dem 1. Januar 2023 besteht außerdem die Möglichkeit, auf eine Mitteilung nach Regel 71(3) EPÜ hin einen Aufschub der Entscheidung über die Erteilung eines europäischen Patents zu beantragen, damit der Hinweis auf die Erteilung am oder unmittelbar nach dem Tag des Inkrafttretens des EPGÜ im Europäischen Patentblatt veröffentlicht wird, um die Eintragung der einheitlichen Wirkung für dieses europäische Patent zu ermöglichen.

    Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 11. November 2022 über die bevorstehende Einführung des einheitlichen Patents und die Möglichkeit, frühe Anträge auf einheitliche Wirkung zu stellen:
    https://www.epo.org/law-practice/legal-texts/official-journal/2022/11/a105.html

    Anmelder eines europäischen Patents sollten rechtzeitig vor der Erteilung des Patents einen Opt-out in Erwägung ziehen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Wettbewerber noch vor der Erteilung des Patents eine Klage vor dem EPG einreicht (siehe "Was ist der Vorteil des Opt-outs einer Patentanmeldung?").

  • … einen Patentinhaber mit einem durchzusetzenden europäischen Patent
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    Bei Inkrafttreten des EPGÜ hat ein Patentinhaber die Wahl, sein europäisches Patent entweder in einem nationalen Gerichtsverfahren oder in einem Verfahren vor dem EPG durchzusetzen. Hat sich der Patentinhaber ursprünglich für einen Opt-out des durchzusetzenden Patents entschieden, muss er den Opt-out erst zurücknehmen, bevor er eine Verletzungsklage am EPG einreichen kann. Der potenzielle Beklagte kann eine solche Rücknahme des Opt-out verhindern, indem er eine nationale Nichtigkeitsklage einreicht. Wenn der Patentinhaber die Klage beim EPG einreichen möchte, sollte er daher in Erwägung ziehen, den Opt-out zurücknehmen und die Klage beim EPG einzureichen, bevor er den potenziellen Beklagten kontaktiert.

  • … einen Wettbewerber, der ein europäisches Patent kosteneffizient für nichtig erklären lassen will
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    Das EPG ist für die Nichtigerklärung europäischer Patente zuständig. Eine solche Nichtigerklärung hat Wirkung für alle teilnehmenden Mitgliedstaaten (siehe "In welchen Staaten wird das EP-UE Wirkung haben?"). Damit haben Dritte die Möglichkeit, mehrere nationale Teile eines europäischen Patents (die nationalen Teile in den teilnehmenden Mitgliedstaaten) in einem zentralen Verfahren für nichtig erklären zu lassen, es sei denn, der Patentinhaber hat rechtzeitig den Opt-out erklärt.

Die Struktur des EPG

Das EPG besteht aus einem Gericht erster Instanz, das eine Zentralkammer (mit Sitz in Paris und Abteilungen in München und Mailand) sowie Lokal- und Regionalkammern umfasst, einem Berufungsgericht und einer Kanzlei (beide in Luxemburg). Darüber hinaus gibt es ein Mediations- und Schiedszentrum für Patentsachen (mit Sitz in Ljubljana und Lissabon) und ein Schulungszentrum (mit Sitz in Budapest).

Lokalkammern können auf Antrag eines Vertragsstaates eingerichtet werden, wobei für je einhundert pro Kalenderjahr in diesem Staat eingeleitete Patentverfahren eine zusätzliche Lokalkammer eingerichtet werden kann (maximal vier Lokalkammern pro Staat). Die Lokalkammern des Gerichts erster Instanz befinden sich derzeit in Wien (AT), Brüssel (BE), Kopenhagen (DK), Helsinki (FI), Paris (FR), Düsseldorf (DE), Hamburg (DE), Mannheim (DE), München (DE), Mailand (IT), Den Haag (NL), Lissabon (PT) und Ljubljana (SI). Regionalkammern können auf Antrag von zwei oder mehr Vertragsstaaten eingerichtet werden. Die nordisch-baltische Regionalkammer hat ihren Sitz in Stockholm (SE) und Anhörungsorte in Riga (LV), Tallinn (EE) und Vilnius (LT).

Das Gericht erster Instanz ist u.a. für erstinstanzliche Patentverletzungsverfahren zuständig, während das Berufungsgericht für Berufungen von Entscheidungen des Gerichts erster Instanz zuständig ist.

Mehr Informationen über die Struktur des EPG

  • Was ist der Übergangszeitraum?
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    Es gibt einen Übergangszeitraum von sieben Jahren (der auf bis zu 14 Jahre verlängert werden kann), in dem das EPG und die nationalen Gerichte für klassische europäische Patente gemeinsam zuständig sind. Die Parteien haben jedoch die Möglichkeit, ihre klassischen europäischen Patente von der Zuständigkeit des EPG auszunehmen (siehe "Was bedeutet Opt-out?").

    Solange für ein klassisches europäisches Patent kein Opt-out erklärt wurde, können die Parteien also wählen, ob sie vor dem EPG (mit Wirkung für das gesamte EPG-Gebiet) oder vor einem oder mehreren nationalen Gerichten (mit Wirkung nur für das betreffende Land oder die betreffenden Länder) klagen wollen. Während des Übergangszeitraums ist es sogar möglich, dass vor dem EPG und nationalen Gerichten parallel Klagen in Bezug auf dasselbe europäische Patent anhängig sind. So kann beispielsweise vor einem nationalen Gericht ein einstweiliges Verfügungsverfahren auf Grundlage eines klassischen europäischen Patents eingeleitet werden, gegen das eine Nichtigkeitsklage vor dem EPG anhängig ist. Ebenso kann eine Klage auf Nichtigerklärung vor dem EPG als Reaktion auf eine Verletzungsklage vor einem nationalen Gericht eingereicht werden, sofern vorher keine Opt-out-Erklärung abgegeben wurde.

    Nach Ablauf des Übergangszeitraums werden europäische Patentanmeldungen und klassische europäische Patente, für die kein Opt-out erklärt wurde, wie EP-UEs ausschließlich vor dem EPG verhandelt.

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  • Wo ist der Sitz des EPG?
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    Das EPG ist nicht an einem einzigen Standort angesiedelt, sondern umfasst aus politischen Gründen mehrere Abteilungen, die über die teilnehmenden Mitgliedstaaten verteilt sind. Das Gericht erster Instanz umfasst eine Zentralkammer mit Sitz in Paris und Abteilungen in München und Mailand. 

    Neben einer Zentralkammer verfügt das Gericht erster Instanz auch über mehrere Lokal- und Regionalkammern, was zu einem gewissen Grad ein Forum-Shopping ermöglicht. Jeder teilnehmende Staat kann sich um eine Lokalkammer bewerben (größere Länder können bis zu vier Lokalkammern einrichten). Zwei oder mehr Mitgliedstaaten des EPGÜ können auch gemeinsam eine Regionalkammer einrichten

    Neben einer Zentralkammer verfügt das Gericht erster Instanz auch über mehrere Lokal- und Regionalkammern, was zu einem gewissen Grad ein Forum-Shopping ermöglicht. Jeder teilnehmende Staat kann sich um eine Lokalkammer bewerben (größere Länder können bis zu vier Lokalkammern einrichten). Zwei oder mehr Mitgliedstaaten des EPGÜ können auch gemeinsam eine Regionalkammer einrichten.

    Lokal-/Regionalkammern des Gerichts erster Instanz:

    • In Deutschland gibt es vier Lokalkammern: Düsseldorf, Mannheim, München und Hamburg
    • Andere Lokalkammern:  Wien (AT), Brüssel (BE), Kopenhagen (DK), Helsinki (FI), Paris (FR), Mailand (IT), Den Haag (NL), Lissabon (PT) und Ljubljana (SI) 
    • Regionalkammer: Die nordisch-baltische Regionalkammer mit Sitz in Stockholm (SE) und Anhörungsorten in Riga (LV), Tallinn (EE) und Vilnius (LT)

    Im Allgemeinen befassen sich die Lokal- und Regionalkammern mit Verletzungsklagen, während die Zentralkammer die ausschließliche Zuständigkeit für Nichtverletzungserklärungen und Klagen auf Nichtigerklärung hat. Das Berufungsgericht des EPG hat seinen Sitz in Luxemburg. Weitere Informationen über die Zuständigkeit der jeweiligen Kammern finden Sie unter "Werden Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren gemeinsam bearbeitet oder müssen Klage auf Nichtigerklärung in getrennten Verfahren erhoben werden?"

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  • Was ist die Verfahrenssprache am EPG?
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    Die Verfahrenssprache der Lokalkammer ist eine Amtssprache des teilnehmenden Mitgliedstaates, in dem die Lokalkammer ihren Sitz hat oder eine andere von der betreffenden Kammer zugelassene Sprache (einen Überblick finden Sie hier). Die deutschen Lokalkammern bieten Deutsch und Englisch als Verfahrenssprachen an. Bei Regionalkammern kann eine der Amtssprachen des EPA vereinbart werden (z.B. bestimmte die nordisch-baltische Regionalkammer Englisch zur Verfahrenssprache).

    Die Verfahrenssprache der Zentralkammer ist die Sprache, in der das Patent erteilt wurde. Die meisten EP-Patentanmeldungen sind in englischer oder deutscher Sprache abgefasst. Somit werden auch bei der Zentralkammer in Paris und Mailand die Verfahren in der Regel auf Englisch oder Deutsch geführt.

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  • Welche Fälle können vor dem EPG verhandelt werden?
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    Art. 32(1) EPGÜ enthält eine erschöpfende Liste von Fällen, für die das EPG ausschließlich zuständig ist. Grundsätzlich wird das EPG die ausschließliche Zuständigkeit für Verletzungs- und Rechtsbeständigkeitsklagen in Bezug auf EP-UEs und, nach Ablauf der Übergangszeit, für klassische europäische Patente und Anmeldungen haben. Während der Übergangszeit können Klagen in Bezug auf ein europäisches Patent auch vor nationalen Gerichten erhoben werden.

    Art. 32(1) EPGÜ

    Im Einzelnen handelt es sich bei den Klagen, für die das EPG ausschließlich zuständig ist, um:

    • Klagen wegen tatsächlicher oder drohender Verletzung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten (SPCs) und zugehörige Klageerwiderungen, einschließlich Widerklagen in Bezug auf Lizenzen;
    • Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten;
    • Klagen auf Erlass von einstweiligen Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen sowie einstweiligen Verfügungen;
    • Klagen auf Nichtigerklärung von Patenten und Nichtigerklärung von ergänzenden Schutzzertifikaten;
    • Widerklagen auf Nichtigerklärung von Patenten und Nichtigerklärung von ergänzenden Schutzzertifikaten;
    • Klagen auf Schadenersatz oder auf Entschädigung aufgrund des vorläufigen Schutzes, den eine veröffentlichte europäische Patentanmeldung gewährt;
    • Klagen im Zusammenhang mit der Benutzung einer Erfindung vor der Erteilung eines Patents oder in Zusammenhang mit einem Vorbenutzungsrecht;
    • Klagen auf Zahlung einer Lizenzvergütung aufgrund von Artikel 8 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012; und
    • Klagen gegen Entscheidungen, die das Europäische Patentamt in Ausübung der in Artikel 9 der EP-UE-Verordnung genannten Aufgaben getroffen hat.
  • Werden Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren gemeinsam behandelt oder müssen Klage auf Nichtigerklärung in einem separaten Verfahren erhoben werden?
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    In der Regel werden Klage auf Nichtigerklärung und Erklärungen der Nichtverletzung vor der Zentralkammer verhandelt, sofern nicht bereits eine Verletzungsklage anhängig ist. Lokal- und Regionalkammern behandeln in der Regel Verletzungsklagen und Widerklagen auf Nichtigerklärung in ein und demselben Verfahren. Jedoch ist die Trennung der Verfahren („bifurcation“) nicht verboten. Erhebt ein Beklagter in einem Verletzungsverfahren eine Widerklage auf Nichtigerklärung, so hat die jeweilige Lokal- oder Regionalkammer folgende Möglichkeiten:

    • Gemeinsame Verhandlung der Verletzungs- und der Nichtigkeitsklage;
    • Verweisung der Widerklage auf Nichtigerklärung an die Zentralkammer, was zu einer Trennung der beiden Verfahren führt. Das Verletzungsverfahren kann ausgesetzt oder fortgesetzt werden; und
    • mit Zustimmung der Parteien kann der gesamte Fall (Verletzungs- und Nichtigkeitsklage) an die Zentralkammer verwiesen werden.

    Eine Trennung kann somit erfolgen, wenn die Lokal- oder Regionalkammer beschließt, die Widerklage auf Nichtigerklärung an die Zentralkammer zu verweisen. Eine Trennung kann jedoch auch erfolgen, wenn eine Klage bei der Zentralkammer anhängig ist und anschließend eine Verletzungsklage bei einer Lokal- oder Regionalkammer erhoben wird. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Gerichte in den meisten Fällen versuchen werden, eine Trennung zu vermeiden und in ein und demselben Verfahren über Verletzung und Rechtsbeständigkeit zu entscheiden.

  • Welche einstweiligen Maßnahmen sind nach dem neuen System möglich?
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    Das EPG kann folgende Maßnahmen erlassen:

    • Beschlagnahme von Beweismitteln (Art. 60(2) EPGÜ)
    • Augenscheinnahme (Art. 60(3) EPGÜ)
    • Einstweilige Verfügungen (Art. 62 EPGÜ)
    • Anordnung der Beweisvorlage (Art. 59 EPGÜ)

    Eine Partei hat die Möglichkeit, eine Schutzschrift einzureichen, um Entscheidungen ohne Vorankündigung zu vermeiden.

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  • Wie wird der Schadenersatz für Verletzungen beim EPG berechnet?
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    Nach dem EPGÜ gibt es zwei Möglichkeiten der Schadenersatzbemessung. Die erste Methode nach Art. 68(3)(a) EPGÜ berücksichtigt „alle in Frage kommenden Aspekte“. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass der Verletzergewinn nicht mehr als eigenständige, separate Berechnungsmethode betrachtet wird, sondern als weiterer Berechnungsfaktor neben den anderen in Art. 68(3)(a) EPGÜ genannten Faktoren. Dazu gehören entgangene Gewinne oder nichtwirtschaftliche Faktoren wie immaterieller Schaden. Es ist zu erwarten, dass das EPG die Rechtsprechung weiterentwickeln und genauere Leitlinien für die Anwendung dieser eher vagen Bestimmung liefern wird.

    Alternativ kann der Schadenersatz auch nach der so genannten „Lizenzanalogie“-Methode ermittelt werden. Der Schadenersatz wird als Pauschalbetrag auf Grundlage der Vergütung oder Gebühren bewertet, die der Verletzer hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des betreffenden Patents eingeholt hätte.

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  • Gibt es etwas, das dem Discovery-System in den USA ähnlich ist?
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    Es gibt nichts, was mit der in US-Verfahren üblichen Discovery vergleichbar wäre. Daher müssen die Parteien ihre Argumente und Beweise selbst erarbeiten und vor der mündlichen Verhandlung in Form von Schriftsätzen vorlegen. Ein Antrag auf Beweissicherung und/oder Augenscheinnahme (sog. saisie) kann jedoch gemäß Art. 60 EPGÜ gestellt werden, wenn die verletzte Partei befürchtet, dass die Beweise vernichtet werden könnten. Derartige einstweilige Maßnahmen des Gerichts unterliegen dem Schutz vertraulicher Informationen und umfassen beispielsweise die Beschlagnahme von Beweismitteln.

    Darüber hinaus kann das EPG auf Antrag des Antragstellers eine Inspektion von Räumlichkeiten anordnen, die von einer vom Gericht bestellten Person durchgeführt wird. Der Antragsteller ist bei dieser Inspektion nicht zugegen, kann sich aber durch einen unabhängigen Sachverständigen vertreten lassen. Diese Maßnahmen können ohne Vorankündigung angeordnet werden.

  • Werden Zwangslizenzen beim EPG möglich sein?
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    Das EPGÜ enthält keine Bestimmung über Zwangslizenzen. Stattdessen sollen die nationalen Gesetze der teilnehmenden Mitgliedstaaten die Zwangslizenzen für EP-UEs regeln. Darüber hinaus kann das EPG auf Erwägungen eingehen, die ansonsten eine Zwangslizenz rechtfertigen würden, indem es z.B. dem Kläger (Patentinhaber) keinen Unterlassungsanspruch gewährt, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse daran besteht, dass das Produkt des Beklagten auf dem Markt bleibt.

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  • Wie hoch sind die Verfahrensgebühren für Patentstreitigkeiten vor dem EPG?
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    Die EPG-Gebühren bestehen aus einer Festgebühr und einer zusätzlichen streitwertabhängigen Gebühr für Verletzungsklagen mit einem höheren Streitwert (über € 500.000). Der Kläger muss den geschätzten Streitwert angeben. Das Gericht kann insbesondere die Leitlinien für die Festsetzung der Gerichtsgebühren berücksichtigen. Streitigkeiten zwischen den Parteien über die Höhe der Gebühren werden in einer Zwischenanhörung geklärt. Gefährden die Gerichtsgebühren die wirtschaftliche Existenz einer Partei, kann das Gericht auf Antrag dieser Partei die Festgebühr und die streitwertabhängige Gebühr ganz oder teilweise erstatten.

    Da die unterlegene Partei die angemessenen Kosten des Rechtsstreits und sonstigen Ausgaben der obsiegenden Partei zu tragen hat (Art. 69 EPGÜ), wirkt sich der Streitwert auf die Höhe der erstattungsfähigen Kosten aus, die die obsiegende Partei verlangen kann. Es gibt jedoch eine Obergrenze für die erstattungsfähigen Kosten von € 38.000 für Verfahren mit einem Streitwert von bis zu € 250.000 und von bis zu 2 Millionen Euro für Verfahren mit einem Streitwert von mehr als 50 Millionen Euro.

    Für die jeweiligen Verfahren gelten folgende Festgebühren:

    • Verletzungsverfahren: € 11.000
    • Einstweilige Verfügungen: € 11.000
    • Nichtigkeitsverfahren: € 20.000

    Weitere Informationen zu den Gerichtsgebühren finden Sie in der Verordnung über Gerichtsgebühren und erstattungsfähige Kosten des EPG.

    Tabelle der Gerichtsgebühren und erstattungsfähigen Kosten

    Offizielle Seite (unified-patent-court.org)